06. Februar 2019
Heute: Thomas Reichel
Herr Reichel, welche Rolle begleiten Sie beim ASB?
Ich arbeite seit 2011 beim ASB und bin seit 2015 als Heimleiter des ASB-Altenpflegeheim „Haus am Stadtpark“ in Dommitzsch tätig.
Ihr Wohnort liegt knapp 40km vom Pflegeheim Dommitzsch entfernt. Was motiviert Sie jeden Morgen diese Strecke zurückzulegen?
Als allererstes natürlich die Aufgabe an sich: unsere Bewohnerinnen und Bewohner verbringen in unserer Einrichtung ihren Lebensabend und haben es verdient, diesen auch so gut und angenehm wie möglich genießen zu können. Dabei dürfen sie nichts, aber auch rein gar nichts von den gesellschaftlichen und politischen Problemen, sowie den schwierigen Rahmenbedingungen spüren. Das ASB-Pflegeheim „Haus am Stadtpark“ ist außerdem eine sehr schöne, große Einrichtung mit vielen langjährigen Mitarbeitern, die ihr tägliches Handeln nicht nur als Beruf, sondern als Berufung sehen. Das allein motiviert schon.
Außerdem habe ich dem ASB generell sehr viel zu verdanken. Nach dem Abschluss meines Studiums zum Dipl.-Pflegewirt (FH) war ich zunächst bei einem Träger der Behindertenhilfe beschäftigt. Als dieses Arbeitsverhältnis beendet wurde, befand ich mich in der Situation, dass mir meine Arbeitsvermittlerin bei jedem Termin mitteilte: „Herr Reichel, Sie sind gut ausgebildet, aber Ihnen fehlt Berufserfahrung. Ich kann Ihnen keine entsprechende Tätigkeit anbieten.“ So kam es, dass ich nach fast einem halben Jahr Arbeitslosigkeit, ohne Leistungsbezug wohlgemerkt, bereits die Hoffnung aufgegeben hatte und mich umorientieren wollte. Ganz unverhofft lud mich der ASB dann zum Vorstellungsgespräch. Die Geschäftsführerin Frau Brucks bot mir nicht nur eine Stelle an, sondern auch perspektivisch die Übernahme einer Leitungsfunktion im ASB. Insgesamt wurde ich dann als Assistent der Geschäftsführung fast vier Jahre auf die Übernahme dieser Aufgabe vorbereitet und konnte in dieser Zeit jede Menge Wissen sammeln. Ich bin sehr dankbar für die Chance, die ich damals von niemand anderem bekam.
Damals überzeugte mich bereits ganz schnell die Art und Weise der Zusammenarbeit im ASB. Manch ein Organisationsberater würde bei uns sicher die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Ich jedoch finde gerade diese Arbeitsweise motivierend und ansprechend. Hier gibt es noch ein „Wir-Gefühl“! Kurze und direkte Wege zur Geschäftsführung und Buchhaltung ermöglichen mir als Leitungskraft, mich einzubringen, mitzugestalten, Ideen umzusetzen usw. Beim ASB wird man als Mitarbeiter noch ernst genommen und, vorausgesetzt man möchte das, in Entscheidungen und Strategien mit eingebunden. Wir sind kein großer Konzern, der im Sinne von „Corporate Identity“ realitätsferne Sachen einfach überstülpt, sondern wir sind für „Wohl und Wehe“ selbst verantwortlich. Und genau das versuche ich in meiner Einrichtung umzusetzen. Ich möchte, dass der Mitarbeiter sich beteiligt, seine Ideen einbringt und sich natürlich auch darüber bewusst ist bzw. wird, dass er durch sein Handeln und Tun direkt für die Gestaltung seiner Arbeitswelt verantwortlich ist. Dieses Bewusstsein zu fördern und zu stärken ist eine große Herausforderung, der ich mich täglich aufs Neue stelle.
Seit einigen Jahren vollziehen sich in der Pflege diverse Veränderungen. Das Pflegestärkungsgesetz wurde in Drei Stufen vollzogen. Unter anderem gibt es jetzt den Pflegegrad und eine neue Art der Begutachtung. Haben diese Veränderungen bisher Auswirkungen mit sich gebracht?
Grundsätzlich bin ich den Pflegestärkungsgesetzen gegenüber positiv eingestellt. Vor allem in Bezug auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff hat die Bundesregierung einen großen Wurf gemacht. Die alte Begutachtungssystematik konzentrierte sich ausschließlich auf körperliche Defizite und vernachlässigte kognitive Einschränkungen gänzlich. Nach Einführung der Pflegegrade haben nunmehr auch diese Personengruppen Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung bekommen und profitieren somit.
Auch die ambulanten und teilstationären Leistungen der Pflegeversicherung sind verhältnismäßig stark gestiegen und ermutigen – ganz im Sinne des Gesetzgebers – bei Pflegebedürftigkeit zu einem längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit. Diese Absicht ist allerdings nicht ganz neu, denn schon seit Einführung des SGB XI steht der Grundsatz „ambulant vor stationär“ im Gesetz verankert.
Für uns bedeutet dies ganz klar, dass ein Einzug in die stationäre Einrichtung erst relativ spät und bei schwerer und schwerster Pflegebedürftigkeit erfolgen soll. Zum Teil sind diese Auswirkungen auch bereits spürbar, denn die durchschnittliche Aufenthaltsdauer unserer Bewohner hat sich bereits merklich verringert.
Zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG). Ab Januar 2019 sollen mit dem Gesetz spürbare Verbesserungen im Alltag der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege erreicht werden. Unter anderem werden 13.000 neue Stellen finanziert. Ein richtiger Schritt?
Das geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Es ist zwingend notwendig, dass unsere Pflegeeinrichtungen eine bessere Personalausstattung bekommen, da die Anforderungen, sowie die physischen und psychischen Belastungen mit der Änderung der Klientel stetig zunehmen. Allerdings, mit Verlaub, meiner Meinung nach eine blauäugige Aktion der Bundesregierung zum Zwecke des Wahlkampfes ohne großen Nutzen an der Basis. Zum Vergleich: im Jahr 2015 gab es in Deutschland rund 13.500 Pflegeheime und nochmal so viele ambulante Pflegedienste – Tendenz steigend. Im Umkehrschluss bedeutet das im Rahmen einer „Milchmädchenrechnung“ etwas mehr als eine dreiviertle Stelle, also ca. 30 Stunden pro Woche, für eine Pflegeeinrichtung mehr. Von den Krankenhäusern reden wir erst gar nicht. Ich denke das ist ein Schnellschuss vom „grünen Tisch“, um die aufgeheizten Gemüter zu beruhigen. Passieren muss da in naher Zukunft noch viel mehr! Einen weiteren wichtigen Punkt behandelt das PpSG allerdings überhaupt nicht: wo sollen die zusätzlichen Pflegekräfte denn herkommen?
Ab 2020 werden die Altenpflege und die Krankenpflege zu einer Ausbildungseinheit zusammengefasst. Die sogenannte generalistische Ausbildung. Böse Zungen sprechen auch vom Qualitätssenkungsprogramm „Generalistik“. Was könnte das für die Altenpflege bedeuten?
Um ehrlich zu sein: ich war ein Gegner dieser generalistischen Pflegeausbildung und habe mich auch im Rahmen meines Engagements beim DVLAB dagegen eingesetzt. Denn wenn man ehrlich ist, dann muss jedem klar werden, dass es nicht ratsam ist, mehrere eigenständige Ausbildungen zu einem Ausbildungsgang zusammenzupressen.
Nun gut, die Sache ist beschieden und wir müssen mit den Auswirkungen leben. Am schwierigsten wird sicherlich der Punkt der praktischen Ausbildung in unserer Einrichtung. Durch die Generalistik müssen die Auszubildenden selbstverständlich ihre Praktika fast zu gleichen Teilen in der stationären Langzeit- und Akutpflege, der ambulanten Pflege und der Kinderkrankenpflege absolvieren. Das heißt eine Bindung an die Einrichtung, so wie es jetzt ist, wird es nicht geben. Weiterhin wird dadurch natürlich auch der Aufwand für unsere Praxisanleiter größer, die nicht kontinuierlich mit den gleichen Personen an der Verbesserung der Fähig- und Fertigkeiten arbeiten können, sondern ständig von vorn anfangen müssen.
Schließlich stellt sich die Frage nach der Qualität und Fachlichkeit der Ausbildung, wenn man im „Schweinsgalopp“ die verschiedenen Praxiseinsätze mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchläuft.
Und, nicht zu vergessen, solange die potenziellen Arbeitsplätze der Auszubildenden vor allem in puncto Entlohnung nicht angeglichen werden, ist meiner Meinung nach auf Dauer das Krankenhaus der Gewinner. Das bedeutet, dass sich grundsätzlich etwas in der Welt der deutschen Sozialversicherung ändern muss, vor allem im Hinblick auf die Finanzierung der Leistungsangebote. Bei uns bezahlt der Bewohner die in Anspruch genommenen Pflegeleistungen nämlich zum großen Teil aus eigener Tasche, während die Zuzahlung im Krankenhaus auf maximal 10,00 € pro Tag gedeckelt ist.
Thema Fachkraftmangel. Spüren Sie jetzt schon Auswirkungen und haben Sie schon Ideen diesem entgegen zu wirken?
Das Thema ist auf jeden Fall spürbar. Wir als Einrichtung merken diese Auswirkungen zwar noch nicht so stark wie vielleicht andere Träger, vor allem weil wir eine geringe Personal-Fluktuation und eine gutes Entlohnungssystem haben, aber die Luft auf dem Arbeitsmarkt wird dünner. Um unser Leistungsangebot zu erweitern haben wir zum Beispiel im vorigen Jahr damit begonnen, einen weiteren ambulanten Pflegedienst in Dommitzsch aufzubauen. Die Nachfrage aus der Bevölkerung ist groß, bedienen können wir diese auf Grund von Mangel an neuem Personal allerdings nicht. Die stetig zunehmende Arbeitsbelastung kann auch dazu führen, dass mehrere Mitarbeiter gleichzeitig ausfallen bzw. ältere Mitarbeiter das Rentenalter erreichen und uns verlassen.
Dann bekommen wir arge Probleme mit der Nachbesetzung. Alles in Allem also eine unbefriedigende und vor allem beunruhigende Situation.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken unternehmen wir als ASB verschiedene Anstrengungen. Wir haben ein vom ASB Landesverband Sachsen initiiertes Projekt, bei dem es darum geht die Merkmale eines attraktiven Arbeitsgebers herauszufinden. Wir befragen unsere Mitarbeiter, versuchen sie mit einzubinden und beabsichtigen die Schaffung von so guten Rahmenbedingungen wie möglich. Dazu zählen neben der Entlohnung natürlich u.a. auch ein angenehmes Arbeitsumfeld, eine moderne, technische Ausstattung und die Entwicklung von Angeboten zum Gesundheitsmanagement. Wir haben die Problematik verstanden, nehmen sie an und versuchen ihr so gut wie möglich entgegenzuwirken.
In den Pflegeeinrichtungen sind die Eigenanteile der Bewohner zuletzt ziemlich stark angestiegen. Können Sie kurz erläutern was dahinter steckt?
Grundsätzlich ist es so, dass sich rund 78 % unserer gesamten Platzkosten aus den Personalkosten zusammensetzt. Gleichzeitig sind die Zuzahlbeträge der Pflegeversicherung gedeckelt, sodass Kostensteigerungen eins zu eins auf die Bewohnerinnen und Bewohner umgelegt werden. Vor allem im Hinblick auf die Personalkosten hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Seit Einführung des Mindestlohnes in der Pflege im Jahr 2013 gab es gesetzlich vorgeschrieben seit 2015 eine jährliche Steigerung. Man spricht in diesem Fall von der sogenannten Dynamisierung des Mindestlohnes, welche noch nicht abgeschlossen ist. Aktuell beträgt der Mindestlohn in der Pflege in den neuen Bundesländern 10,55 € pro Stunde. Dieser Wert gilt allerdings für ungelernte Kräfte, sodass unsere examinierten Pflegekräfte einen entsprechend höheren Stundenlohn haben. Es ist wichtig, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut und ordentlich für ihre tägliche Arbeit bezahlt werden, wir begrüßen also diese Entwicklung! Zusätzlich dazu unterliegen wir als Einrichtung natürlich auch den allgemeinen Preissteigerungen am Markt, sei es Bäcker, Strom, Gas und Versicherungen. Auch diese Kosten wirken sich steigernd auf die monatlichen Platzkosten aus.
Die Refinanzierung dieser Steigerungen wird allerdings auf dem Rücken der Bewohnerinnen und Bewohner getragen. Dieses System ist auf Dauer zum Scheitern verurteilt und muss zwingend reformiert werden. Denn logischerweise hält sich das Verständnis der Pflegebedürftigen und der Angehörigen in Grenzen. Man kann als Gesetzgeber nicht auf der einen Seite die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege bei gleichbleibend hoher Qualität der Versorgung der Bewohner fordern und sich andererseits über explodierende Heimkosten beschweren und diese Kostenexplosionen in Frage stellen. Da muss etwas passieren!
Im letzten Jahr begangen die Beiden Einrichtung in Torgau und Dommitzsch 15 bzw. 20 jähriges Jubiläum. Dazu wurde eine Festwoche veranstaltet, die sehr gut bei Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeitern ankam. Sind solche Veranstaltungen auch in Zukunft geplant?
Diese beiden Veranstaltungen waren gigantisch! Wir haben mit unseren Bewohnerinnen und Bewohnern so richtig „auf den Putz gehauen“. Jeweils drei tolle Tage sorgten für unvergessliche Stunden. Selbstverständlich sind Veranstaltungen in dieser Größenordnung nicht jedes Jahr durchführbar, aber zu den nächsten Jubiläen werden wir wieder tolle Höhepunkte vorbereiten.
In diesem Jahr gehen wir die Feierei zwar kleiner, aber nicht ruhiger an. Über das ganze Jahr verteilt werden wir entsprechende Feste feiern und dabei mit professioneller Unterstützung, zum Beispiel durch Stefan Bräuer, kurzweilige Stunden verleben.
Abschließend noch die Frage: Warum ist der ASB für Sie ein guter Arbeitgeber?
Wer sich einen Arbeitgeber wünscht, der immer versucht ist, dass Familienleben im Einklang mit der Arbeit zu bringen und dem Erholungsphasen und gute Bezahlung der Mitarbeiter wichtig sind, der ist beim ASB bestens aufgehoben.
Kurz und knapp: der ASB ist ein guter Arbeitgeber, weil er jedem Mitarbeiter eine Chance gibt, das Beste aus sich zu machen – man muss nur wollen!
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